
Der Unterhändler - Verbrechenswelle
Zusammengekauert und mit angewinkelten Beinen saß ich unter dem Tisch. Ich hatte die Augen zu und presste die Hände so fest wie es nur ging auf meine Ohren. Eigentlich hatte der Tag ganz normal angefangen. Vormittags Büro und vor dem Mittagessen kurz zur Bank um Geld zu holen. Das war der Fehler. Als ich am Bankschalter an der Reihe war kam dieser durchgeknallte Typ mit dem Vollbart in die Bank und ballerte um sich. Schreie, Panik und alle versuchten sich irgendwie Richtung Boden zu bewegen, oder zu verstecken. Das war jetzt eine knappe Stunde her. Zwischenzeitlich war eine ängstliche Stille eingetreten, bis der Kerl gerade eine ältere Frau ins Nebenzimmer führte - dann gab es einen lauten Knall und ich erwachte schweißgebadet ... 2020 ... Corona ... und gestern Abend zwei Partien Der Unterhändler gespielt.
Der Unterhändler ist ein reines Solospiel in dem wir versuchen einen Geiselnehmer aufzuhalten und möglichst viele Geiseln zu befreien. Das Spiel wird über mehrere Runden gespielt, wobei jede Runde aus drei Phasen besteht:
- Die Verhandlungsphase
- Die Kaufphase
- Die Eskalationsphase
Der Aufbau ist schnell gemacht. Kommandozentrale und Verhandlungskarten auslegen, wobei die Karten mit der null unsere Starthand bilden. Dann noch eine goldene Eskalationskarte aufs Tableau und darüber zehn rote Eskalationskarten. Nun den Verhandlunspunktemarker auf die null der Verhandlungspunkteleiste. Der restliche Aufbau ist dann abhängig vom gewählten Bösewicht.
Richtig taktieren - die Verhandlungsphase
Die Verhandlungsphase ist unsere große Stunde. Hier versuchen wir positiv auf den Geiselnehmer einzuwirken. Das alles geschieht mit Hilfe von Handkarten, die wir möglichst geschickt einsetzen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie die Verhandlungskarten gespielt werden können:
- Verdeckt, um direkt einen Verhandlungspunkt zu bekommen
- Offen, um einen Bedrohungswurf mit den Würfeln auszuführen. Dann wird der Effekt auf der Karte ausgeführt.
Die Anzahl der Verhandlungswürfel, die für den Bedrohnungswurf genutzt werden können entscheidet sich anhand des Gefahrenniveaus (0-1 → 3 Würfel, 2-6 → 2 Würfel, 7 → 1 Würfel). Je Anzahl der Erfolge wird jetzt der Karteneffekt ausgeführt. Auf den meisten Karten bekommt man bei Erfolgen Verhandlungspunkte oder ein sinkendes Gefahrenniveau. Auch können über die Karten Geiseln befreit und Forderungen aufgedeckt werden. Grundsätzlich haben teurere Karten, die in der nächsten Phase gekauft werden können positivere Effekte für uns.
Das Gefahrenniveau ist nicht nur wichtig für die Anzahl der zu werfenden Würfel. Steigt es auf über sieben stirbt sofort eine Geisel. Sinkt es auf unter null wird sofort eine Geisel befreit.
Forderungen
Offene Forderungen können jederzeit in der Verhandlungsphase erfüllt werden. Meist muss dafür eine bestimmte Anzahl an Verhandlungspunkten bezahlt werden. Sobald eine Forderung erfüllt ist bekommt man sofort einen besonderen Vorteil wie z. B. die Befreiung mehrerer Geiseln. Viele Forderungen haben allerdings auch einen permanenten Nachteil, der das Spiel dann im weiteren Verlauf erheblich erschwert. Wann man also eine Forderung erfüllt sollte gut überlegt sein, da dies dem Spiel durchaus eine taktische Wendung gibt.
Vorbereitung auf's nächste Gespräch - die Kaufphase
In der Kaufphase kann man für die zuvor erspielten Verhandlungspunkte neue Verhandlungskarten aus der Auslage erwerben. Karten mit dem Wert null können direkt auf die Hand genommen werden. Es gilt ein Handkartenlimit von zehn. Die Karten, die in der vorigen Verhandlungsphase eingesetzt wurden können erst in der nächsten Kaufphase wieder erworben werden. Am Ende der Kaufphase werden sie in die Auslage zurücksortiert.
Der Geiselnehmer schlägt zurück - die Eskalationsphase
In der Eskalationsphase wird eine Karte vom Stapel gezogen und der Effekt ausgeführt. Die Karten dienen zeitgleich als Rundenmarker für uns. Die Eskalationskarten haben in der Regel kein Vorteile für uns - im Gegenteil. Das steigen des Gefahrenniveaus ist da meist noch ein harmloser Effekt. Sobald der Effekt ausgeführt wurde startet man in die nächste Verhandlungsphase.
Tod oder Freiheit
Um als erfolgreicher Unterhändler aus dem Spiel zu gehen müssen wir mindestens die Hälfte der Geiseln befreien und den Geiselnehmer festnehmen oder töten. Doch Vorsicht: wird der Geiselnehmer getötet übernimmt sein Komplize - und der ist meist noch schlechter gelaunt. Wenn mehr als die Hälfte der Geiseln getötet wurden ist das Spiel für uns verloren.
Oh nein!
Jetzt hat der Mistkerl schon wieder eine Geisel umgebracht - und ich konnte es einfach nicht verhindern. Ich glaube ich habe noch nie bei einem Brettspiel so emotional auf die Würfel geblickt wie in Der Unterhändler. Das Spiel "entführt" den Spieler sehr originell in eine Situation, die man hoffentlich nie selber erlebt. Die kurze Aufbau- und Spieldauer sorgt dafür, dass man das Spiel gern für eine flotte Geiselnahme zwischendurch auf den Tisch holt. Durch unterschiedliche Geiselnehmer und variable Fluchtforderungen hat das Spiel einen hohen Wiederspielwert und taktischen Tiefgang. Anleitung und Material sind wie gewohnt bei Frosted Games von guter Qualität.
Natürlich hängt beim Unterhändler viel vom Würfelglück ab und der Schwierigkeitsgrad ist hoch aber keine Angst: auch ein Entführer hat mal einen schlechten Tag (und wird geschnappt ;-). Die hier vorgestellte Version Verbrechenswelle ist die zweite Grundbox von Der Unterhändler. Zudem gibt es inzwischen zahlreiche Erweiterungen mit neuen Bösewichten und Verhandlern. Alle Boxen können problemlos miteinander kombiniert werden. Damit kommt garantiert keine Langeweile auf!
Grundsätzlich bleibt die Frage, ob man Brettspiele allein spielt. Dies kann nur jeder für sich selber entscheiden. Allerdings macht es einen Unterschied, ob man ein reines Solo Spiel spielt, oder den Solo Modus eines Spiels für mehrere Spieler. Wer sich für ein reines Solo Spiel entscheidet bekommt mit dem Unterhändler wohl einen der besten Vertreter dieses Genres.
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